Der Weg zum NRVP 2030
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Ende 2020 lief der Nationale Radverkehrsplan (NRVP 2020) aus. Damit endete der zweite Regierungsplan zum Radverkehr in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Erstmalig im Jahr 2002 wurde der Radverkehr zum Bestandteil der Bundespolitik, seinerzeit dem Kabinett vorgelegt von Verkehrsminister Kurt Bodewig, heute Präsident der Deutschen Verkehrswacht. Was hat der NRVP bisher gebracht und vor allem: Wie geht es weiter?
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Zunächst einmal war es 2002 gewiss ein großer Fortschritt für den Radverkehr, dass seine nationale Bedeutung auch von der Bundesregierung anerkannt wurde. Auch wenn der erste NRVP 2002-2012 sehr allgemein gehalten war und die Rolle der Bundespolitik vorwiegend als eine moderierende definierte, so fielen in seine Laufzeit doch einige wichtige Eckpunkte, z.B. 2005 die Gründung des Beirats Radverkehr im BMVI oder 2009 die erstmalige Veranstaltung des Nationalen Radverkehrskongresses. Der zweite NRVP 2012-2020 war dann nur wenig mutiger, verzichtete auch weiterhin auf die Benennung einer Zielvorgabe für den Radverkehr (Modal Split). Er formulierte einen Radverkehrsanteil von 15% bis 2020 als „möglich“ – engagierte Ziele sehen anders aus. Dennoch gab es auch in dieser NRVP-Periode ein paar substanzielle Impulse. Dazu gehören u.a. die Berufung einer Radverkehrsbeauftragten des BMVI, die Schaffung eines eigenständigen Referats Radverkehr, das personell weiter aufgestockt wird, die neu ins Leben gerufenen sieben Stiftungsprofessuren, aber auch die Mitfinanzierung von Radschnellwegen und die Ausweitung der finanziellen Förderung durch den Bund auf investive Maßnahmen der Radverkehrsförderung. Als Fortschritt kann man – trotz aller Possen in Bezug auf den Bußgeldkatalog – sicher auch die neue StVO bezeichnen, die substanzielle Verbesserungen des Rechtsrahmens für den Radverkehr enthält.
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Beim Radverkehrskongress in Dresden 2019 überraschte dann der Bundesverkehrsminister mit seiner Initiative, acht Leitziele für den künftigen NRVP 2030 zu benennen und darüber einen breiten gesellschaftlichen Dialog mit Online-Bürgerbeteiligung zu starten. Hierbei gab es immerhin 2.220 Ideen, Anregungen und Vorschläge sowie über 26.000 Bewertungen aus der Bevölkerung. Der NRVP wird jetzt als „Strategie der Bundesregierung zur Förderung des Radverkehrs in Deutschland“ bezeichnet – ein Anspruch, der Erwartungen weckt. Um diese Strategie mit konkreten Inhalten zu füllen, gab es zwischen Oktober 2019 und April 2020 neun Konferenzen eines „Dialogforums“ im BMVI – die letzten Sitzungen konnten Corona bedingt nur online stattfinden. Das Dialogforum bestand aus 23 ständigen Mitgliedern, ergänzt durch weitere themenspezifische Fachexpert*innen. Die Ergebnisse der Sitzungen, die als Empfehlungen der vom BMVI berufenen Expert*innen für den neuen NRVP zu verstehen sind, können im Internet eingesehen werden. Aktuell wird der NRVP 2030 erstellt und im Frühjahr 2021 soll seine Verabschiedung durch das Bundeskabinett erfolgen.
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Welche Inhalte im NRVP 2030 stehen werden, ist noch nicht bekannt, dies liegt in der Entscheidung des BMVI. Eine konkrete Zielvorgabe für einen Anteil des Radverkehrs am Modal Split gilt weiterhin als unwahrscheinlich, aber über das subjektive Sicherheitsgefühl, so wie es regelmäßig mit dem „Fahrrad Monitor“ abgefragt wird, könnte dennoch eine harte Zahl in den NRVP gelangen. Immerhin haben sich die Expert*innen auf diesen Maßstab verständigen können (Ergebnispapier „Infrastruktur fließend“) und benennen als Ziel für 2030, dass 75% der Radfahrenden die Infrastruktur als „komfortabel und sicher“ erleben (2019: 5% „sehr sicher“, 51% „meistens sicher“). Mit einem substanziell erhöhten Sicherheitsgefühl beim Radfahren wird dann auch ein insgesamt höherer Radverkehrsanteil einhergehen, so die dahinter stehende Überzeugung. Zur Erhöhung der Sicherheit soll auch beitragen, dass künftig die Vergabe von Fördermitteln an die Einhaltung der technischen Regelwerke geknüpft wird, und zwar auf breiter Front, von Bund und Ländern. Lange überfällig ist auch eine weitere, finanzpolitische Empfehlung (Ergebnispapier „Fahrradstandort Deutschland“): „Der Bund prüft die Anwendung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes auf Fahrradkauf und fahrradbezogene Dienstleistungen und setzt diese schnellstmöglich um“. Dieser Punkt war besonders dem VSF wichtig, schon aus Gründen der Steuergerechtigkeit. „Fahrrad ist Nahverkehr“, sagt Albert Herresthal. „Es ist nicht nachvollziehbar, dass eine Bahn- oder sogar Taxifahrt nur mit der reduzierten Mehrwertsteuer, das Fahrrad aber mit dem vollen Satz belastet wird. Hier hoffen wir nun, dass das BMVI dem Beschluss seines Fachgremiums folgt“.
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Man darf gespannt sein, ob es dem neuen Nationalen Radverkehrsplan gelingen wird, wirklich nachhaltige Impulse für die Entwicklung des Radverkehrs in Deutschland zu setzen. Corona hat gezeigt, dass der Radverkehr auch in Ausnahmezeiten für unsere Mobilität in Deutschland systemrelevant ist. Weitere Informationen: Hier und Hier.
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Dieser Artikel erschien im November 2020 im Magazin „nahmobil“ der AGFS in Nordrhein-Westfalen > Original-Beitrag (PDF, 130 k)